Veröffentlicht am 25. April 2022, 18:23 Uhr
Für 58 Prozent der Schweizer ist klar: Auch die Migros soll künftig keine alkoholischen Getränke mehr verkaufen. Das zeigt eine exklusive Studie von 20 Minuten und Tamedia. Die wichtigste Abstimmung folgt im Juni.
aus
Dominik Benz
Barbara Scherer
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Die Migros-Genossenschaften möchten auch in Zukunft alkoholische Getränke verkaufen.
Tameia / Urs Yaudas
Frauen stimmen mit insgesamt 61 Prozent etwas mehr als Männer mit 52 Prozent gegen den Verkauf von Alkohol.
20 Minuten / Celia Nogler
Junge Menschen sind in der Migros anfälliger für Alkohol als ältere Menschen. 48 Prozent der Menschen zwischen 18 und 34 Jahren gehen auf Bier, Wein und Schnaps in die Migros.
20 Minuten / Michael Scherer
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Im Juni stimmte die Migros dem Verkauf von Alkohol in ihren Filialen zu.
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58 Prozent der Schweizer wollen auch künftig keinen Alkohol in der Migros.
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Laut der Studie befürworten jüngere Menschen den Verkauf von Alkohol stärker als ältere.
Bier, Wein und Schnaps sind in der Migros nicht erhältlich. Die Satzung des Unternehmens verbietet den Verkauf von Alkohol. Doch das könnte sich bald ändern: Anfang Juni stimmten die Mitglieder der regionalen Genossenschaften der Migros für die Aufhebung des Verbots.
Allerdings ist der Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer bereits klar: Die Migros soll auch in Zukunft keinen Alkohol verkaufen. Das zeigt eine exklusive Studie von 20 Minuten und Tamedia in Zusammenarbeit mit LeeWas (siehe Kasten unten).
Von den fast 10.000 Befragten sind 58 Prozent gegen den Verkauf von Alkohol und 38 Prozent dafür. Vier Prozent enthielten sich einer Antwort.
Junge Menschen sind eher für Alkoholiker
Frauen stimmen mit insgesamt 61 Prozent etwas mehr als Männer mit 52 Prozent gegen den Verkauf von Alkohol. Junge Menschen sind in der Migros anfälliger für Alkohol als ältere Menschen.
Für fast zwei Drittel der Alkoholbefürworter ist das Argument, dass die Migros bereits Alkohol in Denner, dem Online-Shop Migros und Migrolino verkauft, das wahrscheinlichste Argument für eine Aufhebung des Verbots. Unter den Gegnern stimmen 68 Prozent zu, dass der Verkauf von Alkohol ein “Verrat am Erbe von Gottlieb Dutweiler” ist. Der Migros-Gründer wollte die Menschen vor dem Suchtmittel Alkohol schützen.
Am 19. und 20. April nahmen 9673 Personen aus der ganzen Schweiz an der zweiten Welle der Umfrage von 20 Minuten und Tamedia am Vorabend der eidgenössischen Abstimmung vom 15. Mai 2022 teil. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut LeeWas durchgeführt. LeeWas modelliert die Umfragedaten basierend auf demografischen, geografischen und politischen Variablen. Die Fehlerquote beträgt 1,7 Prozentpunkte.
Dass die Mehrheit der Befragten keinen Alkohol möchte, überrascht die Migros nicht. Sprecher Patrick Stepper sagte: „Uns ist bewusst, dass die Hürde zur Aufhebung des Alkoholverbots sehr groß ist.“ Letztlich entscheiden aber die stimmberechtigten Mitglieder der zehn Migros-Regionalgenossenschaften.
Aber fördert die Migros nicht den Alkoholkonsum der jüngeren Bevölkerung, wenn das Verbot aufgehoben wird? «Nein, die Migros bleibt ein verantwortungsvolles Unternehmen», sagte der Sprecher. Das Angebot an alkoholischen Getränken ist mit Augenmaß gestaltet und auf die regionalen Bedürfnisse der Kunden abgestimmt.
Für die Migros wäre der Verkauf von Alkohol kein Verrat an Gottlieb Dutweiler. Es ist wichtig, eine demokratische Abstimmung über Alkohol zu haben. Am Ende stimmte Duttweiler 1948 selbst für den Verkauf von Alkohol.
Migros ist einzigartig wegen des Alkoholverbots
Auch das Blaue Kreuz ist vom Ergebnis der Umfrage nicht überrascht. «Viele Menschen schätzen die Migros und ihre Werte – dazu gehört auch die Weigerung, Alkohol zu verkaufen», sagte Präsident Philip Hadorn. Mit diesem Konzept hebt sich die Migros von anderen Supermärkten ab.
„Das Alkoholausschankverbot macht es einzigartig“, sagt Hadorn. Zudem bietet die Migros rund 300’000 Alkoholabhängigen sicheres Einkaufen ohne Versuchung. Daher ist davon auszugehen, dass die Genossenschaftsmitglieder mehrheitlich auch den Verkauf von Alkohol ablehnen werden.
Die Kinder der Migros kennen nichts anderes
Auch Marketingexperte Felix Murbach bescheinigt ihm eine hohe Markentreue bei der Migros: «Menschen aus der Migros-Kindergeneration sind den traditionellen Werten des Unternehmens wohl noch mehr verbunden.»
Schließlich kennen Migros-Kunden nichts anderes. Fällt das Alkoholverbot, darf das Unternehmen keinen Reputationsschaden befürchten. Die Diskussionen dürften weitergehen: «Aber auf lange Sicht werden sich die Konsumenten an Migros-Bier und -Wein gewöhnen.»
Kampf gegen die Konkurrenz
Der Verkauf von Alkohol und Tabak wird der Migros nur kurzfristig mehr Umsatz bringen. Das ist auf Dauer aber wenig sinnvoll, sagt Stefan Michel, Marketingexperte an der IMD Business School in Lausanne. Denn die Migros muss sich mit den Hauptproblemen auseinandersetzen.
„Die Discounter Aldi und Lidl holen nicht nur preislich, sondern auch beim Angebot auf. Und Coop ist der Migros mit neuen Ladenformaten voraus», sagt Michelle. Eine viel grössere Frage als das Alkoholverbot ist, ob die Migros mit ihrer Genossenschaftsstruktur noch zukunftsfähig ist.
2,3 Millionen stimmberechtigte Mitglieder der zehn regionalen Genossenschaften der Migros lösen bis zum 4. Juni das Migros-Alkoholproblem. Ab dem 7. Juni werden die eingegangenen Stimmkarten gezählt. Die Migros wird dann voraussichtlich Mitte Juni 2022 über die Ergebnisse informieren. Wenn mehr als zwei Drittel den Verkauf von Alkohol befürworten, treten die geänderten Statuten der Genossenschaft per 1. Juli 2022 in Kraft. Die Einführung des Alkoholangebots erfolgt voraussichtlich 2023 zu erwarten
Haben Sie oder jemand, den Sie kennen, Alkoholprobleme?
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