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Erste Lesung im Bundestag: Wenn es um Sondervermögen geht, gibt es viel zu besprechen

Stand: 27.04.2022 04:47

Die Bundesregierung will die Bundeswehr mit einem Sonderfonds von 100 Milliarden Euro modernisieren. Das Projekt wird konkreter, heute befindet es sich in erster Lesung im Bundestag. Um welche Punkte kämpfen Ampel und Gegner noch?

Von Oliver Neurot, ARD-Hauptstadtstudio

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind Teil einer Ende Februar von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten Wende. Drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sagte er: “Wir müssen deutlich mehr in die Freiheit unseres Landes investieren, um unsere Freiheit und unsere Demokratie auf diese Weise zu schützen.”

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Denn Scholz ist klar: In den vergangenen Jahren wurde bei der Bundeswehr zu viel gespart. Immer wieder macht die Truppe Titel mit schlechtem oder kaputtem Equipment. Um das zu ändern, will die Regierung zusätzliche Schulden aufnehmen.

Bundeskanzler Scholz hatte Ende Februar angekündigt, der Bundeswehr einen Sonderfonds zur Verfügung zu stellen. Bild: dpa

Auf Kredit finanziert

100 Milliarden Euro werden vollständig auf Kredit finanziert. Das will Finanzminister Christian Lindner. Ihm zufolge sind die neuen Kredite die einzige Möglichkeit, einen speziellen Fonds aufzubringen.

Höhere Steuern als Alternative dazu seien nicht besteuerbar, sagte Lindner am vergangenen Wochenende auf dem FDP-Parteitag: „Dann werden wir in der Lage sein, die Bundeswehr zur leistungsfähigsten und modernsten Armee Europas zu machen.“

Ein Vorhaben, dem sich die Union grundsätzlich nicht widersetzen kann. Die Truppe mit vielen Milliarden auszustatten, das wollten HDZ und HSS oft, scheiterten aber in den Koalitionen unter ihrer Führung.

Die Gewerkschaft kann sich noch nicht einigen

Doch die Union übernimmt langsam die Rolle des Oppositionsführers und will Regierungsprojekten nicht einfach so zuwinken. Deshalb sagte Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz zur Planung des Sondervermögens: „Das, was jetzt ist, ist aus unserer Sicht nicht genehmigungsfähig. Wir halten es jedoch für sinnvoll, mit der Koalition über das Thema zu sprechen, aber wir sind es. Von einer Einigung sind wir noch weit entfernt.“

Die Bundesregierung will die Bundeswehr mit einem Sonderfonds von 100 Milliarden Euro stärken

Marcus Overman, ARD Berlin, Morgenmagazin, 27.04.2022

Hauptkritikpunkt der Union: Es braucht klare Regelungen, wie und wann Kredite zurückzuzahlen sind. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrind ergänzte: „Für uns ist entscheidend, dass diese 100 Milliarden ausschließlich für die Bundeswehr, ausschließlich für die Verteidigung zur Verfügung stehen. Das steht noch nicht fest. Aber wir verhandeln diesbezüglich noch.“

Die Regierung versichert, dass das Geld nur für die Bundeswehr bestimmt ist. Sie will sogar den Zweck des Sondervermögens ins Grundgesetz schreiben. Und genau das braucht die Union dafür: Die Ampelkoalition kann nur mit den Stimmen ihrer Fraktion die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag erreichen.

Der Chef der verbündeten Fraktion Merz hält die Pläne der Bundesregierung nach wie vor nicht für tragbar. Bild: dpa

FDP ärgert sich über CDU/CSU

FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ärgert sich darüber, dass sich hier CDU/CSU gegenüberstehen: „Ich finde, wir müssen jetzt wirklich aufhören, diese Spielchen zu spielen. Zunächst einmal muss eine Union, die seit 16 Jahren Bundesverteidigungsministerin ist, jetzt konstruktiv sein, denn die Scherben, die wir jetzt zusammenfegen, entstehen auf der Basis der Union.“

Für Strack-Zimmermann ist klar, dass die Erneuerung der Bundeswehr schnellstmöglich beginnen muss. Denn die konkreten Defizite sind seit langem bekannt. Die Truppe braucht einen neuen Kampfjet, den Nachfolger des Tornado. Viele der Maschinen sind über 40 Jahre alt und fast keine Ersatzteile verfügbar. Der Tarnkappenjet F-35 des amerikanischen Herstellers Lockheed, das modernste Kampfflugzeug der Welt, muss aufrücken.

Außerdem steht der neue Transporthubschrauber von Boeing bevor. 27 Milliarden sind für „moderne Flugzeuge“ und 40 Milliarden für die Luftwaffe insgesamt vorgesehen. Die Armee wird um 17 Milliarden und die Marine um 10 Milliarden modernisiert. Im Allgemeinen werden auch neue Munition und Kommunikationsgeräte benötigt.

“Riesige Steuerverschwendung”

“Wir halten das für einen enormen Steuerschaden”, sagte Dietmar Barch, Fraktionsvorsitzender der Linken. Als bürokratische Hemmnisse bei der Anschaffung neuer Ausrüstung nennt er strukturelle Mängel in der Bundeswehr. Hier müsse man ansetzen und erst dann übers Geldausgeben reden, betont er.

Ähnliche Worte dürfte seine Partei in der heutigen Bundestagsdebatte finden, wenn die Regierung ihr Vorhaben verteidigt. Obwohl es heute in Worten bleibt. Eine wichtige Abstimmung über die Änderung des Grundgesetzes und des Sondervermögens selbst findet später statt. Bis dahin hofft die Ampelkoalition, dass die Gewerkschaft auf ihrer Seite bleibt.

100 Milliarden für die Bundeswehr: Der Bundestag berät über den Sonderfonds

Oliver Neurot, ARD Berlin, 27.04.2022 16:47 Uhr