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In der abtrünnigen Region Moldawien brodelt es. Der Krieg in der Ukraine droht auf das Nachbarland überzugreifen.
Darum geht es: Während sich der Krieg in der Ukraine nach Osten und in die Städte am Schwarzen Meer verlagert hat, steht auch Transnistrien im Fokus: In der abtrünnigen Region Moldawien hat es mehrere Explosionen gegeben. Das Staatssicherheitsministerium in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol ist am Montag unter Beschuss geraten. Die Zentralregierung der Republik Moldau sagte, es sei ein Versuch gewesen, Spannungen in der abtrünnigen Region zu erzeugen. Die Detonation zweier Funkmasten droht die Lage weiter zu verschärfen.
Gegenseitige Schuld: Über die Urheberschaft der Angriffe gibt es keine verlässlichen Informationen. Laut der russischen Nachrichtenagentur Ria ist der Kreml besorgt. Russland wolle ein Szenario vermeiden, “in dem es gezwungen ist, in Transnistrien einzugreifen”. Kiew hingegen wirft Moskau vor, sich selbst zu provozieren, um Panik zu verursachen. Demnach könnten in Transnistrien stationierte russische Truppen versuchen, die Ukraine von dort in Richtung der Schwarzmeerstadt Odessa anzugreifen.
Bildunterschrift: In einer Erklärung aus Kiew erinnerte der Geheimdienst an eine Aussage eines russischen Kommandanten vom vergangenen Freitag. Er sagte offen, Moskau wolle die Kontrolle über die gesamte Südukraine übernehmen, einschließlich Transnistrien. Schlussstein
De-facto-Regime ohne Anerkennung: Fernab vom Fokus der Weltöffentlichkeit hat sich in Transnistrien ein Gebiet entwickelt, das zwar rechtlich zu Moldau gehört, aber eng mit Russland verbunden ist. Das De-facto-Regime wird ausschließlich von Moskau unterstützt. International wird es nicht als eigener Staat anerkannt – aber es hat ein eigenes politisches System, gibt Pässe aus, hat auch eine eigene Hymne und sogar eine eigene Währung, sagt Miriam Kosmehl, Osteuropa-Expertin der Bertelsmann Stiftung.
Legende: In Transnistrien leben etwa eine halbe Million Menschen, darunter ethnische Moldauer, Ukrainer und Russen. In ganz Moldawien leben etwa 2,5 Millionen Menschen. Im Bild: Beschädigtes Ministerium für Staatssicherheit in Tiraspol. Schlussstein
Das Recht des Stärkeren: Moldawien ist das ärmste Land Europas und weder Mitglied der EU noch der NATO. 1990 erklärte es seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion; Auf einen blutigen Konflikt folgte ein Waffenstillstand, der bis heute andauert. Seitdem sind russische Truppen in Transnistrien stationiert, heute sind es zwischen 1.000 und 1.500 Soldaten. Es gibt auch moskautreue paramilitärische Gruppen. „Macht zeichnet sich durch eine undurchsichtige Verflechtung von Politik und Wirtschaft aus, es gilt das Gesetz des Stärkeren“, sagte Kosmehl. Die organisierte Kriminalität ist in der Region weit verbreitet. Korruption, Geldwäsche und Schmuggel gehören zum Alltag.
Moskau schürt eingefrorene Konflikte: Laut Historiker Oliver Jens Schmidt ist Russland generell besorgt, die Hinwendung ehemaliger Sowjetrepubliken wie der Ukraine, Georgien und Moldawien zum Westen zu verhindern. “Das geht, indem man ihnen Konflikte künstlich einpflanzt, sie teilweise einfriert und dann neu startet.” Cosmeal sieht ähnlich aus. Was in Transnistrien im Kleinen passiert, passiert für den Osteuropa-Experten seit 2014 im Donbass in der Ukraine: Russland schürt Spannungen innerhalb eines souveränen Staates, um sich außenpolitischen Einfluss zu sichern.
Bildunterschrift: Der Kreml habe nie ein echtes Interesse an einer Beruhigung des Transnistrien-Konflikts gezeigt, sagte Kosmehl: “Teil des russischen Handlungsmodells ist es, destruktiv zu sein und Instabilität zu garantieren.” Keystone / Archiv
Ausweitung der russischen Herrschaft: Das russische Militär hat kürzlich angekündigt, über die Ukraine Zugang zu Transnistrien zu wollen. Dies werde den Einflussbereich Russlands deutlich erweitern und die Ukraine noch stärker unter Druck setzen, sagte Kosmehl. „Putins Regime wird auch näher an den Grenzen der EU sein. Besorgter Gedanke, folgert der Forscher. „Das wird die Lage in der Ukraine deutlich verschärfen und auch sicherheitspolitisch negative Auswirkungen auf die EU haben.“
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