Stand: 01.05.2022 11:56 Uhr
Zu viel Nachfrage, zu wenig Spenden: Tafeln fordern von der Politik deutliche Entlastungen für von Armut betroffene Menschen. Sie können nicht alle Bedürftigen versorgen.
Die Politik müsse stärker gegen Armut vorgehen, sagte Vorstandsvorsitzender Jochen Brühl. Nur die Tafeln in Deutschland hätten “diesem Druck nicht standgehalten”, sagte Brühl der Funke-Zeitung. Grund für den offensichtlichen Ausnahmezustand ist die wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln bei sinkenden Spenden.
Brühl forderte insbesondere Nachbesserungen bei den Hilfspaketen. „Einmalzahlungen von mehreren hundert Euro reichen nicht aus und kommen zu spät“, kritisierte er. Stattdessen soll es eine Anhebung der Harz-IV-Regelsätze und „erhebliche Entlastungen für Geringverdiener“ geben.
„Kein Teil des Sozialstaatssystems“
Brühl forderte Bund und Kommunen auf: „Tafeln ist nicht Teil des Sozialstaatssystems. Wir helfen ehrenamtlich und bestmöglich, aber es war nie die Idee von Tafel, alle von Armut betroffenen Menschen zuverlässig und verbindlich zu betreuen“, sagte Brühl. Der Dachverband vertritt nach eigenen Angaben bundesweit rund 950 Tafeln.
„Die Situation in den Tafeln ist angespannter denn je“, sagte Brühl. Freiwillige “arbeiten manchmal ununterbrochen und finden es stressig, wenn sie den Menschen nicht helfen können, weil es keine Lebensmittel mehr zu liefern gibt.” Einige Tafeln mussten ihr Angebot bereits einschränken. In Saarbrücken zum Beispiel herrscht seit Monaten Stillstand.
Erhöhte Nachfrage seit Dezember
Immer mehr Menschen leiden unter hohen Lebensmittelpreisen. Die Inflation liegt laut Statistischem Bundesamt bei 7,3 Prozent. Bei einigen Artikeln wie Sonnenblumenöl, Tomaten und Roggenmehl sind die Preise um mindestens ein Fünftel gestiegen. Dadurch steigt auch die Nachfrage in den Tafeln.
Seit Dezember beziehen immer mehr Menschen ihre Lebensmittel von der Tafel. Eine weitere Welle kam im Februar wegen stark gestiegener Energiepreise, seit Mitte März fliehen Familien vor dem Krieg in der Ukraine. „All dem steht eine Lebensmittelknappheit gegenüber“, sagte Sabine Altmeier-Baumann, Vorsitzende der Tafeln Rheinland-Pfalz und Saarland.
Zudem kämpft die Tafel deutschlandweit mit steigenden Betriebskosten. Kühlprodukte und Reisekosten werden mit zunehmenden Transportentfernungen immer teurer.
16 Prozent der Bevölkerung gelten als arm
Laut einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes von Ende 2021 erreichte die Armutsquote in Deutschland während der Corona-Pandemie ein Rekordhoch. 16,1 Prozent der Bevölkerung – das entspricht 13,4 Millionen Menschen – sollen laut einem Bericht mit dem Titel „Pandemic Poverty“ als arm gelten.
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