Krieg in der Ukraine
Trotz Protesten aus der Ukraine: Der Senat hält am Flaggenverbot fest
Aktualisiert: 07.05.2022, 19:30 | Lesezeit: 8 Minuten J. Fahrun, A. Gandzior, P. Siebert
Das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park ist einer der Orte, an denen russische und ukrainische Flaggen verboten sind.
Foto: Carsten Koal / dpa
Botschafter Melnik findet die Zustände “skandalös”. Giffe betont, dass die Einschränkungen nur für die 15 Gedenkstätten gelten.
Berlin. Der Berliner Senat hält an seiner Linie fest. Flaggen und militärische Symbole, darunter auch ukrainische, sind während des Gedenkens an den Tag der Befreiung vom NS-Regime am 8. und 9. Mai an 15 Orten in der Stadt verboten. Nur hochrangige Veteranen des Zweiten Weltkriegs dürfen Uniformen und Orden tragen. Auch die Botschafter und ihre Delegationen wurden von dem Verbot befreit. Polizeibeschränkungen für Gedenkstätten verbieten auch Marsch- oder Militärlieder sowie das Symbol Z. Der Buchstabe wird vom russischen Militär und zu Propagandazwecken gegen die Ukraine verwendet und bedeutet “für den Sieg” (“Für den Sieg”).
Der Erlass gilt für die Gedenkstätten im Treptower Park und der Schönholzer Heide in Pankow. Ebenfalls enthalten sind der Parkfriedhof Marzahn, das Museum Berlin-Karlshorst, der Bersarinplatz in Friedrichshain und die Gedenkstätten in Buch, Staaken, Prenzlauer Berg, Wittenau, Rummelsburg und Alt-Hohenschönhausen. Für den 8. und 9. Mai sind in Berlin zahlreiche Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen geplant.
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An allen anderen öffentlichen Orten sei das Tragen ukrainischer Flaggen während dieser zwei Tage weiterhin “allgemein erlaubt”, teilte die Polizei am Samstag mit. Behörden hatten es bereits am Freitag angeordnet. Einige Bilder könnten jedoch den Eindruck erwecken, dass das Tragen ukrainischer Flaggen beispielsweise in Berlin generell verboten ist. Das sei nicht der Fall, heißt es.
Verbotsflaggen: Scharfe Kritik an den Auflagen
Der ukrainische Botschafter in Deutschland Andriy Melnik bezeichnete die von der Berliner Polizei verhängten Auflagen als „skandalös“ und forderte die „Sehr geehrte Gouverneurin“ Franciska Gifi persönlich in einem Twitter-Post auf, die Entscheidung aufzuheben. “Ein Schlag ins Gesicht für die Ukraine und ein Schlag ins Gesicht für das ukrainische Volk”, schrieb der Diplomat, der immer wieder auf Angriffe auf deutsche Politiker aufmerksam gemacht hat.
Andriy Melnik, Botschafter der Ukraine Foto: Christoph Gato / dpa
Giffe betonte gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), dass es in Berlin kein „allgemeines Flaggenverbot“ gebe. Darüber spricht sie mit Melnik. Flaggen können überall außerhalb der 15 Orte gezeigt werden, fuhr Gifi fort – vier ukrainische Flaggen wurden auch an ihrem offiziellen Wohnsitz, dem Roten Rathaus, geschwenkt. Senatorin Iris Spranger (SPD) zitierte eine Verordnung, wonach ukrainische Flaggen in Berlin keineswegs verboten seien, sondern nur die 15 sowjetischen Ehrenmale und Gedenkstätten, an denen mit Kundgebungen und Veranstaltungen zu rechnen sei. In letzter Zeit wurden etwa 45 Veranstaltungen registriert, aber die Situation ist sehr dynamisch.
Die HDZ teilt die Kritik an der Ukrainerin. „Die ukrainische Flagge symbolisiert den Freiheitskampf“, schrieb Landes- und Fraktionschef Kai Wegner auf Twitter. „Wie können Sie in Berlin so instinktiv sein, sie überall zu verbieten?“ Frau Giffe muss diese schmerzhafte Fehlentscheidung sofort korrigieren. Zur Erklärung: Der Senat hat alle Flaggen an den entsprechenden Stellen verboten, einschließlich sowjetischer, ukrainischer und russischer Flaggen. Polizeichefin Barbara Slovik versicherte, man werde gegen “jede Form der Unterstützung, Billigung, des Lobes oder auch nur des Lobes für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgehen, insbesondere bei Treffen”.
Flugverbot: Konfrontation muss verhindert werden
Iris Spranger ist seit Dezember 2021 Berlins erste inländische Senatorin. Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services
Spranger, Slovik und der gesamte Senat wollen eine Auseinandersetzung zwischen russischen und ukrainischen Anhängern an den Gräbern gefallener sowjetischer Soldaten vermeiden. „Die Hauptidee ist, die Feier des 8. und 9. Mai 1945 und damit die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus klar von der Situation im Mai 2022 zu trennen“, sagte Sprangers Innenverwaltung. Es sei wichtig, „Zusammenstöße zu verhindern“ in Gedenkstätten, die sowohl russische als auch ukrainische Soldaten ehren, die im Kampf gefallen sind.
Derweil hat FDP-Chef Christian Lindner die Ankündigung prorussischer Demonstrationen für Sonntag und Montag scharf kritisiert. Er fand es “schockierend, dass während des Russlandkrieges in Europa am Tag der Kapitulation des Nazi-Regimes Putins Anhänger an diesem Tag missbraucht wurden”, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Zündgerät im Gebäude einer russischen Medienagentur
Der Fund eines Zünders in der Nacht zum Freitag zeigt, wie sich die Situation verschärfen könnte. Im Gebäude der russischen Multimedia-Nachrichtenagentur Ria Novosti in der Steglitzer Lepsiusstraße. Die Polizei hielt den Gegenstand für so gefährlich, dass sie ihn nicht mitnehmen wollte.
„Kriminalbeamte haben den Zünder in der Nacht zum Freitag gegen 20.45 Uhr kontrolliert zerstört“, sagte ein Polizeisprecher der Berliner Morgenpost am Samstag. Keiner wurde verletzt. Die Hintergründe waren am Samstag noch unklar. Im Gebäude befinden sich Büros anderer Unternehmen. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Rund 3.400 Polizisten sind im Einsatz
Die Berliner Polizei will die geplanten Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen mit einem Großaufgebot begleiten. Etwa 3400 Polizisten sollen an diesem Sonntag und Montag im Stadtgebiet unterwegs sein, sagte ein Sprecher.
Viele der Veranstaltungen sind kleinere Treffen mit fünf bis 50 Teilnehmern, organisiert von Vereinen, Verbänden oder Parteien wie der Linken. Aber hinter anderen stehen russische Initiativen, die wiederum oft antirussische Gegenproteste von ukrainischen Initiativen provozieren. Größte Veranstaltung ist der Rote-Armee-Gedenkaufzug, der am Montag mit 1.300 Menschen vom Brandenburger Tor zur Gedenkstätte Tiergarten fahren wird. Inwieweit dies vor dem Hintergrund der erlassenen Verbote möglich ist, müssen wir noch abwarten.
Auch die russische Botschaft plant eine Reihe von Gedenkveranstaltungen, hält die konkreten Zeiten in diesem Jahr aber geheim. „Leider geben wir aus Sicherheitsgründen die genauen Daten und Orte nicht öffentlich bekannt“, heißt es in der Erklärung. Kränze und Blumen werden an sowjetischen Ehrenmalen und den Gräbern gefallener Soldaten in Tiergarten, Pankow und Treptower Park niedergelegt. Außerdem sind Besuche der wichtigsten Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager geplant.
Der ukrainische Botschafter will einen Kranz niederlegen
Berliner Politiker, die sich in den vergangenen Jahren immer wieder an Veranstaltungen der russischen Botschaft beteiligt haben, bleiben ihnen in diesem Jahr aus Protest gegen die Aggression in der Ukraine fern. Der ukrainische Botschafter Melnik hingegen sagte, er wolle am Sonntag um 12 Uhr am Ehrenmal Tiergarten einen Kranz niederlegen. Alle Gedenkveranstaltungen würden überwacht und gesichert, sagte ein Polizeisprecher.
Das Berliner Verwaltungsgericht hat kürzlich Beschränkungen prorussischer Demonstrationen für zulässig erklärt. Als erstes wurde in diesem Zusammenhang das sogenannte Z-Zeichen verboten, der Buchstabe wird von Anhängern des russischen Angriffskrieges verwendet und bedeutet „für den Sieg“.
Vor der Bestätigung durch das Gericht hatte Anfang April eine prorussische Autoparade in Berlin bundesweit Empörung ausgelöst. Etwa 400 Autos fuhren mit russischen Flaggen durch die Stadt. Am selben Tag wurde die Tötung von Zivilisten in der ukrainischen Stadt Bucha bekannt. Zunächst hatten die Organisatoren eine weitere Parade für den 8. oder 9. Mai angekündigt. Bislang ist jedoch laut Polizei nichts dergleichen bekannt geworden.
Der Besuch bei den “Nachtwölfen” verlief ohne Zwischenfälle
Die Mitglieder der „Nachtwölfe“ trafen am Donnerstag in Berlin ein. Dem russischen nationalistischen Rockclub werden enge Verbindungen zu Machthaber Wladimir Putin nachgesagt. Die 18 Rocker kamen aus Sachsen, legten am Ehrenmal Tiergarten einen Kranz nieder und zogen nach Angaben eines Polizeisprechers ohne Zwischenfälle wieder ab. Weitere Mitglieder der Night Wolves, die ebenfalls nach Tiergarten wollen, haben angekündigt, am Montag dabei zu sein.
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