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Die Geschichte der Ausgaben der leeren Räume der Biennale

Bei zahlreichen Länderpräsentationen auf der 59. Kunstbiennale Venedig wird in diesem Jahr vor allem auf die Abwesenheit konventioneller Kunstwerke Wert gelegt, stattdessen werden die Räume durch die Verarbeitung von Geschichte, Ton und Licht zum Leben erweckt. Im deutschen Pavillon wird beispielsweise die ursprüngliche Basis freigelegt, in Japan wird das „Leere in der Mitte“ thematisiert und im griechischen Pavillon betritt man virtuelle Welten zwischen Antike und Gegenwart.

Die Aussöhnung mit der deutschen Vergangenheit im Nationalsozialismus steht im Mittelpunkt des Deutschen Pavillons in Giardini. Wie schon bei der letztjährigen Architekturbiennale wird das monumentale Gebäude auch dieses Mal leer stehen. Außerdem enthüllte die deutsche Künstlerin Maria Eichhorn die ehemaligen Strukturen des 1909 errichteten und 1938 von den Nazis eindrucksvoll erweiterten Pavillons. Die Künstlerin öffnete einen großen Teil des Bodens, unter dem sich die Reste des ursprünglichen Gebäudes befinden können gesehen. „Moving a Structure“ heißt ihr von Yilmaz Dzevior kuratiertes Projekt, das von einer Publikation zu Orten der Erinnerung und des Widerstands in Venedig begleitet wird.

Auch der benachbarte japanische Pavillon, für den das Team Dumb Type verantwortlich zeichnet, bleibt weitgehend leer. Der komplett abgedunkelte Hauptraum wird dominiert von Spiegeln, Lasern und Lautsprechern, aus denen Stimmen Passagen aus Passagen aus einem Geographiebuch aus den 1850er Jahren flüstern, in denen, so das Kollektiv, „einfache, aber universelle Fragen gestellt werden“. In der Mitte befindet sich ein Spiegelloch, das den Blick auf den leeren Keller freigibt. „Ein Ort, der nirgendwo existiert, aber gleichzeitig überall sein kann“, heißt es in der Beschreibung. „Wir leben in einem Zeitalter der Post-Wahrheit und des begrenzten Raums. Die Mitte ist leer.“

Keine bildende Kunst, sondern Musik dominiert den Britischen Pavillon. Die Künstlerin Sonia Boyce konzentriert sich in ihrer Installation Feeling Her Way auf fünf schwarze Musiker, die in ihrer improvisierten Zusammenarbeit auf großen Videoleinwänden zu sehen und meist zu hören sind. Die Bildschirme sind auf die farbenfrohe Tapete des Künstlers gemalt, die mit goldenen geometrischen Formen verziert ist. Der durch die offenen Räume schwingende Klang ermöglicht ein dynamisches, manchmal harmonisches, aber auch dissonantes Hörerlebnis. Für den Künstler ein Ausdruck von „einem Gefühl von Freiheit, Energie und Verletzlichkeit“.

Apropos Hörerlebnis: Besucher des australischen Pavillons wurden mit einer Warnung über die Lautstärke und Intensität des Lichts begrüßt. Künstler Marco Fusinato spielt in den nächsten 200 Tagen live auf seiner E-Gitarre vor zwölf Amps. Die ohrenbetäubenden Feedback-Sounds korrespondieren mit einem schräg im Raum aufgestellten meterhohen LED-Screen, auf dem zufällig generierte Bilder von Suchmaschinen aufblitzen. “Es gibt kein Thema im eigentlichen Sinne”, heißt es im Begleittext. Vielmehr solle das Publikum die „immersive Begegnung mit Ton und Bild“ frei interpretieren können. “Die Absicht ist, eine Art Halluzination, Erregung in Desorientierung und Erschöpfung in Verwirrung zu erzeugen.”

Der spanische Pavillon von Ignacio Abali, der mit „Corrección“ die Achsen des Pavillons korrigiert, ist auf den ersten Blick leer. Zu den Nachbarpavillons in Belgien und den Niederlanden gebe es keine parallele Ausrichtung, so der Künstler, der daraufhin einen Pavillon in den Pavillon gestellt habe, um diesen „Fehler“ zu korrigieren. Da die ursprünglichen Mauern erhalten geblieben sind, gibt es viele scharfe Ecken und unbrauchbare Nischen, wodurch eine architektonische Skulptur entsteht. Außerdem hat Abali sechs Bücher am Eingang platziert, um die Besucher zu ermutigen, sich “außerhalb des Pavillons zu verirren”: Es sind kleine Führer, die “das vom Massentourismus geprägte Bild der Stadt korrigieren”.

Vor dem Griechischen Pavillon hat sich seit Beginn der Vorbesichtigungstage eine lange Schlange gebildet. Dort betritt der Besucher einen komplett abgedunkelten Raum, bevor er in einem Designersessel unter einer der vier großen Kuppeln Platz nimmt und mit VR-Brille und Kopfhörer ausgestattet wird. Ödipus auf der Suche nach einer Säule heißt ein 360-Grad-Film der Künstlerin Lucia Alavanu, der Sophokles’ Ödipus in Colon mit dem Leben in einem Roma-Dorf namens Nea Zoe westlich von Athen verbindet. Die hier lebenden Menschen sollen in den 1980er Jahren von Theben hierher gezogen sein, während Ödipus vermutlich denselben Weg eingeschlagen hat. Und so findet man sich in der virtuellen Welt sowohl in kleinen Wohnzimmern als auch auf einer Müllhalde wieder, während die Dorfbewohner den alten Text rezitieren. Vergangenheit, Gegenwart und virtuelle Zukunft – all das vereint sich hier in der Dunkelheit des Pavillons.

Und so werden die Besucher dieser ländlichen Pavillons aufgefordert, inmitten der allgegenwärtigen Reizüberflutung der Biennale einen Schritt zurückzutreten, Räume, ihre Geschichte(n) und Bedeutungen neu zu interpretieren und sich auf diese Ideen hinter den scheinbar leeren Verstecken einzulassen.