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Einer starb im Lebensmittelskandal – ein Fehler in der Kontrolle der Behörden

Deutscher Betrieb in Hessen

Einer starb im Lebensmittelskandal – ein Fehler in der Kontrolle der Behörden

Bis: 16:01 | Lesezeit: 4 Minuten

Lebensmittelskandal in Hessen mit einem Toten

Gravierende Hygienemängel und Behördenversagen: Vier Menschen in Hessen erkrankten an mit Mikroben verseuchten Lebensmitteln, einer von ihnen starb. Es besteht der Verdacht auf eine Operation im Gewächshaus.

In Hessen erkrankten vier Menschen an mikrobiellen Infektionen, einer von ihnen starb. Die Gründe sind offensichtlich gravierende Hygienemängel in einem Betrieb – die die Behörden seit zwei Jahren nicht mehr kontrollieren.

Nach Informationen von WELT AM SONNTAG haben in Hessen mangelnde Hygiene und mangelnde Kontrolle zu einem Lebensmittelskandal geführt. Zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 erkrankten vier Menschen an Listeriose durch mit Mikroben kontaminierte Lebensmittel, einer von ihnen starb.

Behörden beschuldigen ein Obst- und Gemüseunternehmen in Südhessen. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt gegen das Unternehmen. Sie lieferte geschnittene Gurken, die auch in Krankenhäusern als Teil von Patientensalaten gegessen werden. Mindestens zwei der Patienten infizierten sich während ihres Krankenhausaufenthalts.

Stehende Pfützen, Rattenkot und Schimmel

Der Redaktion lag ein Bericht des Hessischen Arbeitskreises Lebensmittelsicherheit vor, der dem Unternehmen schwere Hygienemängel vorwarf. Sie dokumentierte stehende Pfützen, Rattenkot und Schimmel in der Produktion, kritisierte fehlende Reinigungspläne und unzureichende interne Kontrollen.

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Reformpläne der Regierung

Untersuchungen von Bundes- und Landesbehörden haben genetische Ähnlichkeiten zwischen den Produktionskeimen und den bei Erkrankten gefundenen Bakterien ergeben. Bisher hat die Öffentlichkeit nichts von dem Skandal gehört. Fragen zu den Vorwürfen beantwortete das Unternehmen nicht.

Der zuständige Veterinärdienst in Groß-Gerau hat den Betrieb seit zwei Jahren nicht mehr kontrolliert – obwohl ein bis zwei Audits des Betriebs pro Jahr erforderlich sind. Auf Nachfrage räumte der Landkreis ein, den Einsatz nicht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben überwacht zu haben.

Weniger Betriebsprüfungen dank Crown

Generell habe das Amt während der Corona-Pandemie „deutlich zu wenige“ Audits von Unternehmen durchgeführt, die wegen des erhöhten Risikos für die Gesundheit der Verbraucher häufiger kontrolliert werden müssten. Insgesamt können 2021 nur etwa 45 Prozent der vorgeschriebenen Inspektionen durchgeführt werden.

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Der Landkreis teilte mit, dass die Zahl der Beschäftigten theoretisch ausreiche. Tatsächlich waren aber während der Pandemie mehrere Lebensmittelkontrolleure und ein Amtstierarzt zeitweise für andere Aufgaben im Einsatz, etwa die Überwachung von Kontakten im Corona-Fall. Die Befragten, Landrat Thomas Will (SPD) und Gesundheitsdezernent Walter Ashheimer (Grüne), bedauern “zutiefst”, dass “eine Kontrolllücke besteht, die die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährden könnte”.

Der Personalmangel in den Lebensmittelämtern ist seit langem ein landesweites Problem. Schon vor der Pandemie scheiterte etwa jede dritte vorgeschriebene Werksbesichtigung. Die Krone verschlimmerte die Situation offensichtlich. In Hessen haben die Ämter 2020 erst 53 Prozent ihrer Pflichtkontrollen erfüllt, Sachsen meldet für 2021 die gleiche Zahl. In Schleswig-Holstein bestätigten Regierungsexperten kürzlich „erheblichen zusätzlichen Personalbedarf“, um gesetzliche Aufgaben erfüllen zu können.

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Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure schätzt, dass es derzeit bundesweit bis zu 1.500 Kontrolleure gibt. Der stellvertretende Chef Mike Mashke erklärte, die Pandemie habe einen „sehr deutlichen“ Fachkräftemangel gemacht. Die Personalsituation könne zu Lebensmittelskandalen beitragen: „Verstöße gegen geltendes Recht wurden und werden nur bei Vor-Ort-Kontrollen durch ausreichend und qualifiziertes Personal festgestellt“, sagte Mashke.

Hessische Behörden erfuhren Mitte Februar von dem aktuellen Lebensmittelskandal und untersagten dem Unternehmen die Weiterverarbeitung von Lebensmitteln. Auf diese Weise verhinderten sie wahrscheinlich einen noch größeren Ausbruch.

Strukturelle Mängel

Allerdings beschreibt der Bericht der Arbeitsgruppe auch verschiedene bauliche Mängel wie fehlende Hygieneschleusen und unzureichende Wasserableitung, die kurzfristig nicht auftreten dürften. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass „es nicht möglich war, sichere Lebensmittel im etablierten Zustand herzustellen“. Der Landkreis erklärte, dass er trotz bekannter Mängel fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass die Lebensmittelsicherheit nicht gefährdet sei.

Auf die Frage nach den politischen Folgen von Lebensmittelskandalen verweist das Bundeslandwirtschaftsministerium auf das zuständige Land Hessen – die Zuständigkeit für das Personal der Lebensmittelaufsicht liege ausschließlich bei den Ländern.

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Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Verbraucherschutz Steffen Bilger, sagte: „Die Lebensmittelkontrolle muss immer oberste Priorität haben, so wie bei der Corona-Krise“ – und in diesem Fall infizierten sich mehrere Menschen in den Krankenhäusern mit Listerien, weil es erhebliche Hygienemängel im Unternehmen gab, die die Behörden nicht bemerkt hatten – vieles ist passiert, aber nicht genug.

„Die Länder müssen dafür sorgen, dass jederzeit genug Personal für eine konsequente und verlässliche Kontrolle vorhanden ist und die Kontrolle auch tatsächlich durchgeführt wird“, sagte Bilger. Er forderte die Bundesregierung auf, ihre koordinierende Rolle wahrzunehmen, um Lebensmittelkontrollen auf Schwachstellen zu überprüfen. Wenn alle Verantwortlichen ihren Job gemacht hätten, hätten weitere Fälle vermieden werden können, sagte Bilger. „Das sind die Behörden den Verbrauchern schuldig, die sich auf die Qualität der Lebensmittelproduktion in Deutschland verlassen können müssen.“

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