Germany

Energienotstand: Der Bundestag erleichtert den Zugang der Regierung

Stand: 12.05.2022 21:09 Uhr

Das reformierte Energiesicherheitsgesetz hat den Bundestag mehrheitlich verabschiedet. Ist die Versorgungssicherheit bedroht, kann der Staat notfalls auf Enteignung zurückgreifen. Der Bundesrat muss noch zustimmen.

Der deutsche Staat muss künftig einen leichteren Zugang zu Energieunternehmen haben, wenn erhebliche Versorgungsschwierigkeiten drohen. Mit den Stimmen der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat der Bundestag eine Neufassung des Gesetzes zur Energiesicherheit bei Lieferkonflikten aus Russland beschlossen.

Im Parlament stimmte auch die Linke für den Gesetzentwurf, die AfD lehnte ihn ab, die Gewerkschaft enthielt sich. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck muss der Bundesrat das Projekt noch genehmigen, was nächste Woche passieren könnte.

Der erste Anwendungsfall steht bevor

Sondermaßnahmen müssen künftig schon möglich sein, bevor die Energieversorgung unmittelbar gefährdet ist. Körperschaften können dann unter Vormundschaft gestellt werden. Diese soll greifen, wenn Unternehmen ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können und die Versorgungssicherheit auf dem Spiel steht.

Als letztes Mittel ist auch eine Enteignung möglich, wenn die Energieversorgungssicherheit nicht anders gewährleistet werden kann. Im parlamentarischen Verfahren setzte sich die FDP jedoch gegen das Vorhaben der Regierung durch, ein Unternehmen nach der Verstaatlichung wieder zu privatisieren.

Reaktionen auf russische Gassanktionen bei einem Treffen der G-7-Außenminister

Stefan Schuchlik, ARD Berlin, Tagesthemen 22:15, 12. Mai 2022

Das erneuerte Gesetz könnte erstmals zur Anwendung kommen, wenn bei der Ölraffinerie PCK im brandenburgischen Schweden an der Oder keine Lösung des Eigentumsproblems gefunden wird. Es gehört mehrheitlich der Rosneft-Gruppe, die es mit russischem Pipelineöl beliefert. Deutschland will diese ersetzen und hat dafür bereits Pläne entwickelt. Voraussetzung wäre allerdings, dass Rosneft seine Anteile verkauft oder rechtlich dazu gezwungen wird.

Meldepflicht bei Stilllegung

Das Energiesicherheitsgesetz wurde seit 1975 nur geringfügig novelliert. Das Gesetz ermächtigt den Staat und seine Organe, bei einer Gefährdung der Versorgung Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören Bestimmungen zu Energieerzeugung, -transport und -verteilung.

Die Novelle ändert auch die Bestimmungen des Energiegesetzes. Unter anderem muss die geplante Stilllegung von Gasspeichern künftig der Bundesnetzagentur gemeldet werden.

Russland sanktioniert Gazprom Deutschland

Bundeswirtschaftsminister Robert Habek hat bereits auf anderer Rechtsgrundlage bei Gazprom Germania, dem Deutschlandgeschäft des russischen Gaskonzerns, gehandelt. Die Tochtergesellschaft wurde der Bundesnetzagentur unterstellt, die nun bis zum 30. September alle Stimmrechte an den Aktien der Gazprom Germania ausüben wird.

Gazprom hatte die Tochtergesellschaft zuvor an einen anderen Eigentümer verkaufen wollen, damit die Regierung eingreifen konnte. Russland hat bereits mit Sanktionen reagiert und will seine Tochtergesellschaften nicht mehr mit Gas für Handel und Speicherung beliefern.