Germany

Eurobasket: Römische Dramatisierung am Akademietheater

30. April 2022

© APA/APA/BURGTHEATER/SUSANNE HASSLER-SMITH

Mit 600’000 Franken in einer Plastiktüte bei einer Taxifahrt nach Afrika ist es sowieso ein Abenteuer. Wenn Wodka und Weisswein dazukommen, die am künstlichen Anus hängenden Tüten regelmässig gewechselt werden müssen und statt des Zebrarückens im Ngorongoro-Krater das Edelweiss im Berner Oberland in den Fokus rückt, dann liefert die Fantasie, nicht die Geografie, die Koordinaten die Reise, Mutter und Sohn in Christian Krachts Roman “Eurotrash”.

Itai Tirana, der als Regisseur und Schauspieler am Burgtheater arbeitet, hat den im vergangenen Jahr erschienenen und weitgehend autobiografischen Roman des Schweizer Journalisten und Autors (“Faserland”, “1979”, “Imperium” etc.) dramatisiert , zusammen mit Jeroen Versteele und als Zwei – ein persönliches Stück, aufgeführt auf der Bühne des Akademischen Theaters. Barbara Petrich und Johannes Zirner liefern 105 vergnügliche Theaterminuten, die in kurzen Abschnitten nur leichte Durchhänger zeigen.

Was ist real, was ist Phantasie? Diese Frage wird auf der Bühne selten beantwortet. Die Alkohol- und Drogensucht der Mutter und das schlechte Gewissen des Sohnes, der sie besucht, scheinen real. Die starken Gefühle, die die beiden verbinden, sind echt, und ihre Bemühungen, sie mit großem rhetorischen Aufwand zu überspielen. So wie die Mutter ihre Position gegenüber ihrem Sohn rücksichtslos ausnutzt, lässt Petrich es nicht aus, seinen Bühnenpartner zeitweise zu schlagen. Trockene Schläge, schonungslos geführte Dialoge, Diva-Atmosphäre und Grazien – sie zieht alle Register und es ist eine Freude, ihr dabei zuzusehen.

Auf einem runden grünen Sofa, das sich per Fernbedienung über die Bühne bewegt (Bühne und Kostüme: Nina Wetzel), nähern sich die beiden an, tauschen immer wieder die Rollen zwischen Mutter-Kind, Kellner-Gast und Pfleger-Patient, begutachten sie aufmerksam Vergangenheit und mit einiger Ungewissheit über die Zukunft. Während sich die Mutter ganz selbstverständlich mit dem Rollator fortbewegt, bewegt sich der Sohn in schwierigem Terrain: Wie weit ist die Demenz der Mutter, die sich gerne tot stellt und Mitgefühl verlangt, tatsächlich fortgeschritten? Ist sie wirklich verrückt oder nur gemein?

Wirklich weh tut man sich aber nicht, deshalb brachte eine Reise nach Afrika im ferngesteuerten Mini-Taxi zwischen silbernen Vorhängen, Kunstschnee, Bühnennebel und Windmühlen unter anderem die beiden zusammen, nicht weiter auseinander. Fazit: Aber Kuscheln statt Katharsis. Und zum Schluss: herzlicher Applaus.

(SERVICE – „Eurobasket“ von Christian Kracht in der Fassung von Itai Tirana und Jeroen Verstile, Regie: Itai Tirana, Bühne und Kostüme: Nina Wetzel, mit Barbara Petrich und Johannes Zirner, Österreichische Erstaufführung am Akademietheater, nächste Vorstellungen: 4. 9., 17., 24.5., Karten: 01/513 1 513,)