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Trotz der Rekordinflation lassen die Währungsbesitzer in Europa Verbraucher und Sparer immer noch im Unklaren über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung. Dagegen gibt es nun deutlichere Anzeichen für ein Ende der extrem lockeren Geldpolitik im Sommer. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat begonnen, ihre Geldpolitik zu normalisieren, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die nach der Online-Sitzung des EZB-Rats am Donnerstag wegen einer Coronavirus-Infektion an einer Pressekonferenz teilnahm. “Die Reise hat begonnen.” Kritiker werfen der Zentralbank mangelnde Entschlossenheit und riskantes Abwarten vor.
Die EZB hat beschlossen, die Zinsen erst zu erhöhen, wenn das frische Geld in Anleihen aufgebraucht ist. Wann die Zinsen wieder steigen, lässt die EZB offen. Volkswirte halten eine erste Zinserhöhung in diesem Jahr für möglich.
Aktuell verharrt der Leitzins auf einem Rekordtief von null Prozent. Die neuen Daten verstärkten jedoch die Erwartungen des Vorstands, dass die Nettokäufe von Staats- und Unternehmensanleihen im Rahmen des APP-Kaufprogramms im dritten Quartal eingestellt werden sollten. Der EZB-Rat werde bei seiner Sitzung im Juni über das Ende des Kaufprogramms und den künftigen Zinspfad entscheiden, sagte Lagarde. Zu diesem Zeitpunkt werden auch neue Prognosen für die Wirtschaft und die Inflation verfügbar sein.
Laut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krmer ist das Warten auf die Notenbank riskant. „Je länger die EZB an ihrer sehr lockeren Geldpolitik festhält, desto mehr steigen die Inflationserwartungen der Menschen und eine sehr hohe Inflation wird dauerhaft.
Der BdB-Bankenverband begrüßt die Aussicht, das milliardenschwere Anleihenkaufprogramm im dritten Quartal zu beenden. „Das reicht aber nicht. Noch in diesem Jahr muss das Ende der Negativzinsen kommen“, sagte BdB-Geschäftsführer Christian Osig.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) wirft der Notenbank Zurückhaltung vor. „Die Inflation in der Eurozone steigt auf nie dagewesene Höhen und die EZB muss das stoppen“, warnte DSGV-Präsident Helmut Schleweis. “Die aktuell hohe Inflation darf sich nicht dauerhaft verhärten.”
Der Krieg in der Ukraine belastet die Wirtschaft der Eurozone und heizt die Energiepreise weiter an, die bereits der Haupttreiber der Inflation waren. Die EZB, deren Hauptziel stabile Preise bei zwei Prozent Inflation sind, prognostizierte im März für dieses Jahr ein schwächeres Wirtschaftswachstum und eine deutlich höhere Inflation als noch im Dezember prognostiziert.
„Der Krieg in der Ukraine hat die Wirtschaft hart getroffen und die Unsicherheit deutlich erhöht“, sagte Lagarde. Der Inflationsdruck hat zugenommen und die Inflation wird in den kommenden Monaten hoch bleiben.
Im Euroraum erreichte die Inflation im März mit 7,5 Prozent den höchsten Stand seit Einführung des Euro als Abrechnungswährung im Jahr 1999. „Die Inflationszahlen sprechen für sich. Die Geldpolitik darf die Gelegenheit nicht verpassen, gute Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, mahnte Bundesbankpräsident Joachim Nagel kürzlich.
Für die Zentralbank ist dies jedoch ein Balanceakt: Wenn sie die Zinsen zu schnell oder zu stark anhebt, besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft ins Stocken gerät. Wenn die Währungsbehörden zu spät reagieren, müssen die Zinsen möglicherweise schneller oder höher steigen. Auch ein starker Anstieg der Zinsen könnte sich auf die konjunkturelle Entwicklung auswirken.
EZB-Direktor Fabio Panetta hat kürzlich davor gewarnt, dass ein übermäßiges Eingreifen der Zentralbanken zur Bekämpfung der steigenden Inflation das Wirtschaftswachstum in der Eurozone dämpfen würde. Darüber hinaus wird eine solche geldpolitische Straffung keine direkten Auswirkungen auf die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise haben, die durch globale Faktoren und jetzt den Krieg in der Ukraine verursacht werden.
Der Leitzins im Währungsraum der 19 Länder liegt seit etwa sechs Jahren auf einem Rekordtief von null Prozent. Banken, die Gelder bei der EZB parken, müssen dafür seit Juni 2014 Zinsen zahlen. Diese Einlagenzinsen betragen derzeit minus 0,5 Prozent. Zuschüsse in bestimmter Höhe sollen die Institute von den damit verbundenen Kosten entlasten. Im Rahmen des seit 2015 laufenden APP-Programms hat die EZB bereits mehr als drei Billionen Euro in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere investiert, was der Wirtschaft hilft.
Das während der Corona-Pandemie aufgelegte besonders flexible PEPP-Anleihekaufprogramm lief Ende März aus. Seitdem hat die Zentralbank im Rahmen dieses Programms keine neuen Wertpapiere mehr gekauft. Gelder aus auslaufenden PEPP-Dokumenten werden weiterhin bis mindestens Ende 2024 / mar / DP / jsl reinvestiert
Redaktion finanzen.net / (dpa-AFX)
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