Stand: 14.04.2022 17:37 Uhr
Bereits im kommenden Winter kann verflüssigtes Erdgas über schwimmende Terminals direkt nach Deutschland kommen. Dafür hat der Bund 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Umweltverbände bleiben skeptisch.
Von Marcel Heberlein und Miriam Beneke, ARD-Hauptstadtstudio
Die Bundesregierung beschleunigt, um so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas zu werden. Sie stellt knapp 2,5 Milliarden Euro für die Anmietung von vier schwimmenden Flüssiggasterminals bereit. Das geht aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums hervor, das im ARD-Studio der Hauptstadt vorliegt. Das Finanzministerium gab das Geld frei, ohne zuvor den Haushaltsausschuss des Bundestages einzubeziehen. Die Entscheidung sei “sehr dringend”, teilte das Ministerium in einem Schreiben mit. Demnach sollen heute die ersten Charterverträge unterzeichnet werden.
Verwendung ab nächstem Winter
Die zweieinhalb Milliarden Euro müssen auch für den Betrieb der Anlagen für zehn Jahre aufgewendet werden. Künftig können Schiffe verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas) über schwimmende Terminals direkt nach Deutschland liefern. Dies ist derzeit nicht möglich, da Deutschland noch über kein eigenes LNG-Terminal verfügt und auf Häfen in Nachbarländern wie den Niederlanden angewiesen ist. Mehrere deutsche Onshore-Terminals sind geplant, der Bau wird aber voraussichtlich mehrere Jahre dauern. Schwimmende Terminals müssen schneller helfen. Die Regierung hofft, im kommenden Winter verflüssigtes Erdgas direkt nach Deutschland liefern zu können.
Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen sollen Standorte werden, weitere werden nach Angaben des Ministeriums geprüft. Auch ein Stadion in Niedersachsen, Rostock in Mecklenburg-Vorpommern und der Hamburger Hafen sind im Gespräch. Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lees von der SPD könnte bis Ende des Jahres über das Terminal Wilhelmshaven eine Gasmenge bezogen werden, die knapp 20 Prozent der jährlichen Gasimporte Russlands ausmacht.
Terminals sind derzeit sehr gefragt
LNG kommt per Schiff nach Europa, zum Beispiel aus Katar oder den USA. Über die Terminals kann das verflüssigte Erdgas wieder vergast und an Land gebracht werden. Es muss nicht einfach gewesen sein, schwimmende Ausrüstung zu bekommen. Nach dem russischen Krieg in der Ukraine sind sie in ganz Europa sehr gefragt. Denn die gesamte EU will so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden.
Der Sprecher der FDP für die maritime Wirtschaft im Bundestag, Hagen Reinhold, lobte die Bemühungen der Bundesregierung. Die Entscheidung, Schwimmterminals kurzfristig anzumieten, sei „richtig und innovativ“. Sie ist mit der Aufgabe verbunden, „alle Hindernisse zu beseitigen, um die Einsatzbereitschaft schnellstmöglich sicherzustellen“. Außerdem gilt es nun zu prüfen, wo es Vorteile gibt, beispielsweise beim Anschluss an das Gasnetz.
Umweltschützer warnen vor „Fossilienfalle“
Kritik kommt von Umweltverbänden. Konstantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe wirft der Bundesregierung mangelnde Transparenz vor: „Ob diese Terminals aus energetischer Sicht notwendig sind, hat die Bundesregierung noch nicht beantwortet.“ Zahlen dazu gibt es nicht. „Wir wissen auch nicht, wie das mit den Klimazielen der Bundesregierung vereinbar ist.
Zerger spricht über den Wettbewerb zwischen den Bundesländern und Terminals. “Das Ganze führt jetzt zu Wildwuchs mit zu viel Importkapazität.” Setzt die Bundesregierung bereits auf schwimmende Flüssigerdgas-Terminals, sollte zumindest auf den Bau fester Onshore-Terminals verzichtet werden. „Das Ganze ist eine Fossilfalle, weil die Terminals jahrelang halten und wir noch lange fossile Energie importieren werden.“
Die Regierung stellt 2,5 Milliarden Euro für vier schwimmende LNG-Terminals bereit
Mirjam Benecke, ARD Berlin, 14.04.2022, 17:26 Uhr
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