Ist es Kunst oder kann es verschwinden? Graffiti-Künstler Harald Naegeli, 82, zückte wieder die Spraydose. Auch im Alter juckt der Zürcher Sprinkler noch in den Fingern. Für sein neuestes Kunstwerk wählte er einen interessanten Ort: die Kirchenmauer auf der Insel Ufenau. Seit Donnerstag tanzen zwei Skelette in Form seiner weltberühmten Figuren mit Stöcken an der Wand.
Der Ort wurde nicht zufällig gewählt. Denn nur wenige Meter von der Kirche entfernt, in einer kleinen Kapelle, findet ab dem 13. Mai eine Ausstellung des Künstlers statt. Unter dem Motto „Ufenauer Totentanz“ werden bis Ende Oktober 37 Gemälde von Negelis ausgestellt.
Der Künstler erschien am Donnerstag persönlich zur Medientour. Es wird gesagt, dass Nagelli während der Tour entkommen ist und sich leise an die Arbeit gemacht hat. Das sagen zumindest die Kuratoren der Ausstellung.
“Wir hatten keine Ahnung, was Herr Nagelli tat.”
Ist das Graffiti das Werk eines rebellischen Künstlers oder ein ausgeklügelter Marketingschlag? “Wir hatten wirklich keine Ahnung, was Herr Nagelli tat”, sagte Marcus Bamert, 62, Kurator der Ausstellung, gegenüber Blick. Rückblickend räumt er jedoch ein: “Wir hätten eigentlich damit rechnen müssen.” Naegelis Abwesenheit soll während der Tour niemandem aufgefallen sein. „Nach der Führung sind wir mit der Gruppe noch etwas trinken gegangen, und dann kam Herr Naegeli zurück“, erinnert sich Bamert.
Doch was passiert mit den beiden Skeletten an der Kirchenmauer? Für das Kloster Einsiedeln, das die Kirche auf der Insel Ufenau leitet, hat dieses Thema derzeit keine Priorität. «Ob das hier der richtige Ort ist und wie wir diese Arbeit handhaben, dürfte in den nächsten Wochen und Monaten zu Diskussionen führen», schreibt Mark Dosch, 52, Verwaltungsdirektor des Klosters Einsiedeln, auf Anfrage.
Naegeli ist kein Unbekannter auf der Insel
Auch Naegelis neustes Werk hat auf der Insel für keine Aufregung gesorgt. Begleitet wurde die Kampagne von Daniel Berchtold, 30, Geschäftsführer von Haus zu den Zwei Raben. “Aber wir beabsichtigen nicht, Graffiti zu Marketingzwecken einzusetzen.”
Doch Naegeli ist kein Unbekannter in dem Restaurant, das dieses Jahr von Gastronom Michel Peclar (52) eröffnet wurde. „Er hat unsere Weinflaschen entworfen“, sagt Berchtold. Sie sind bei Kunden sehr beliebt. „Die gehen weg wie warme Semmeln“, sagt Berchtold.
Der Zürcher Sprinkler hat wohl keine Folgen zu befürchten
Naegeli muss keine Angst vor den Folgen von Graffiti haben, solange keine Anzeige erstattet wird. In der Vergangenheit war dies jedoch ganz anders. In den 1970er Jahren erregte er in Zürich mit seinen schwarzen Strichmännchen Aufsehen. Obwohl die Polizei daraufhin eine Belohnung von 3000 Franken auf seinen Kopf aussetzte, blieb seine Identität lange Zeit ungeklärt.
Erst 1979 wurde er eines Nachts von einem Polizisten erwischt und zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Dem Vollzug des Urteils entging Naegeli jedoch mit der Flucht nach Deutschland, woraufhin gegen ihn ein internationaler Haftbefehl erlassen wurde.
1983 wurde er schließlich festgenommen und für sechs Monate inhaftiert. Heute sind die Strichmännchen von Naegeli aus dem Zürcher Stadtbild nicht mehr wegzudenken und haben längst Kultstatus erreicht.
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