So begründete Kretschmer Wöhlers Entlassung
Nach mehreren Skandalen ist der sächsische Innenminister Roland Wöhler entlassen worden. Jetzt spricht der Ministerpräsident – und sagt, was er vom Nachfolger erwartet.
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Roland Wöhler verlässt am Freitagmorgen die Staatskanzlei. Sein Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU) entließ ihn. © Rietschel; dpa
Dresden. Der Streit zwischen den Gewerkschaften der Polizei und Innenminister Roland Wöhler (CDU) hat personelle Folgen. Ministerpräsident Michael Kretschmer entlässt den Minister. Kretschmer sagte am Freitag zur Entlassung: „Ich hatte zuletzt das Gefühl, dass wir nur über vermeintliche oder echte Skandale reden. Jetzt brauchen wir einen Neuanfang.“
Der Regierungschef dankte seinem “langjährigen Weggefährten” Wöhler für seine Arbeit und bekräftigte seine Arbeit zum Polizeirecht und zur Bereitstellung von zusätzlichem Polizeipersonal.
Jetzt brauchen wir Kraft, Vertrauen und neue Ideen. Genau diese Eigenschaften habe der künftige Innenminister Armin Schuster, den er seit 2002 kenne, sagte Kretschmer. Schuster muss seine Ernennungsurkunde nun am Montag in der Sächsischen Staatskanzlei erhalten.
Schuster war bis 2020 Mitglied des HDZ-Bundestags und leitet nun den Bundes-Katastrophenschutzdienst. Die Entscheidung über eine Nachfolge ist in der HDZ-Fraktion bereits heftig umstritten. Ein Schuhmacher kommt aus Baden-Württemberg.
Da der Innenminister nicht nur für die Polizei, sondern auch für die Kommunalpolitik zuständig ist, würde die HDZ-Fraktion einen Nachfolger aus Sachsen bevorzugen. Die Entscheidung zugunsten Schusters soll verheerende Signale senden. Offiziell wies der Vorsitzende der HDZ-Fraktion, Christian Hartmann, dies zurück. Kretschmers Entscheidung, Wöhler zu entlassen, sei “nachvollziehbar und respektvoll”. Mit Schuster besteht nun die Chance auf einen Neuanfang.
Laut dpa war Schuster 2018 Wunschkandidat des damaligen Innenministers Horst Seehofer für den Posten des Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der Plan scheiterte jedoch nach Angaben aus Koalitionskreisen am Widerstand von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die PSD würde sich den Angaben zufolge nicht gegen den Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg stellen.
Armin Schuster wird neuer sächsischer Innenminister. ©dpa
Wöhler selbst äußerte sich nicht zur Entlassung vom Freitag. Gegen halb neun verließ er das State Office durch den Hinterausgang. Wenig später postete er auf Facebook ein Bild seines Sohnes Lorenz mit dem Titel „No More Connections“.
Zuletzt forderte die Gewerkschaft der Polizei rundweg den Rücktritt von Wöhler, der aber ablehnte. Grund sind Vorwürfe, er habe bei Personalentscheidungen politische Weggefährten und Bekannte seiner Familie getroffen. Dem Politiker wird “Brüderlichkeit” vorgeworfen.
Ein Freund von Wöhlers Frau soll Kanzler der Polizeiakademie Rothenburg sein. Und nur wenige Tage zuvor war der Vorsitzende des Görlitzer Bezirksverbandes in Görlitz, Florian Oest, als neuer Polizeisprecher nach Dresden gekommen. Der Wechsel überrascht und innerlich.
Polizeiskandale
Zudem kam es in den vergangenen Tagen zu Skandalen bei der Polizei, insbesondere bei der Mobile Task Force (MEC). Bekannt wurde, dass die Spezialeinheit den Skiurlaub in einem Vier-Sterne-Hotel in den Alpen für eine „Trainingsreise“ angekündigt hat. Außerdem ermittelt das LKA gegen 25 MEK-Mitarbeiter in Leipzig. Bei einem illegalen Initiationsritual sollen sie mit Trainingswaffen aufeinander geschossen haben. Anschließend wurden zwei hochrangige Beamte entlassen.
Im vergangenen Jahr machte die MEK Dresden Schlagzeilen. Im Jahr 2018 nahm das Kommando ohne Genehmigung an einer Schießausbildung auf einem privaten Schießstand in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) teil und bezahlte diese mit mindestens 7.000 Schuss Eigenbedarf. Weitere 7.500 Schüsse wurden gestohlen, um das Schießtraining abzuschließen. Gegen drei Polizisten hat die Generalstaatsanwaltschaft bereits Anklage erhoben, gegen 14 weitere wird noch ermittelt. Das Kommando wurde aufgelöst.
In einer weiteren Affäre ging es um Korruptionsvorwürfe bei der Polizei in Leipzig. Dort sollen Mitarbeiter mit illegal gestohlenen Fahrrädern gehandelt haben. Der Fall wurde unter dem Stichwort „Fahrradtor“ bekannt. Inzwischen wurde Anklage gegen den ehemaligen Leiter der Beweisaufnahme erhoben.
Es ist nicht Vöhlers erster Dienst
Roland Wöhler ist gelernter Bankkaufmann mit Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. 2012 verließ er die Regierung. Im Streit um das Bildungspaket der damaligen CDU/FDP-Regierung zeigte er Rückendeckung und trat als Bildungsminister zurück. Wöhler fand das Lehrermangelpaket völlig unzureichend und sah es als Fake an. „Ich kann das aus Verantwortung gegenüber Lehrern, Schülern und Eltern nicht mehr mittragen“, sagte er damals und verließ nach eigenen Angaben „ohne Wut“.
Bis dahin stieg Wöhlers politische Karriere steil an. Er gilt teilweise sogar als potenzieller Thronfolger im Freistaat. Wöhler galt schon immer als ehrgeizig. 1987 trat er der Jungen Union bei und erhielt im Jahr darauf das HDZ-Parteibuch. 1999 wechselte er in den Landtag nach Dresden, zu einer Zeit, als die Sächsische Union noch über 50 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte.
Im September 2007 stürzte der damalige Ministerpräsident Georg Milbrad (CDU) nach der Beinahe-Pleite der Sächsischen Staatsbank das Kabinett und übergab das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt an Wöhler. Wöhlers Vorgänger war Stanislav Tilich (CDU), der ebenfalls Wöhler hielt, obwohl er nur in der HDZ-Fraktion keine Freunde hatte. Der Duisburger wirkte auf viele Anhänger der Union übermütig.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium blieb Wöhler in der Fraktion. Er war anderswo tätig: Seit 2003 ist er stellvertretender Professor an der Hochschule für Technik (FH) Dresden, 2006 wurde er dorthin berufen. Seine Rückkehr verdankt er der Regierung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Als er nach Tilichs Rücktritt im Dezember 2017 Regierungschef im Freistaat wurde, stellte er dem Kabinett seine Vertrauten Wöhler als Innenminister und Christian Pivarz als Bildungsminister vor. (SZ mit dpa)
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