Kremlchef Wladimir Putin, 69, und sein Kreis wohlhabender Oligarchen sind in Ungnade gefallen – aber nicht am Schweizer Finanzplatz. Das ist zumindest die Meinung der Helsinki-Kommission, eines unabhängigen Gremiums der US-Regierung.
An einem Briefing am Donnerstagnachmittag warf die Kommission der Schweiz vor, ein sicherer Hafen für Putin und andere zu sein. Wörtlich hieß es: “Die Schweiz ist seit langem als Ziel für Kriegsverbrecher und Kleptokraten bekannt, die dort ihre Beute verstecken, und ist ein führender Pionier des russischen Diktators Wladimir Putin und seiner Kumpane.”
“In der Schweiz ist etwas faul”
Beim mehr als einstündigen Briefing wurde die Schweiz als “Putins Gehilfe” und Geldwäscheparadies dargestellt. Ähnliche Vorwürfe musste sich der Schweizer Finanzplatz in der Vergangenheit immer wieder anhören. Jetzt wird der US-Ton noch lauter: Putins Kritiker Bill Browder, 58, warf der Schweiz bei einem Briefing vor, sich von Putin korrumpieren zu lassen. “Etwas ist faul in der Schweiz”, sagte Browder.
Das Helsinki-Komitee besteht aus amerikanischen Parlamentariern, Regierungsbeamten und unabhängigen Experten. Darunter auch der Schweizer Korruptionsexperte Mark Pitt (69). In diesem Zusammenhang nannte er die Schweiz einen der grössten Offshore-Häfen der Welt.
Laut Pieth gibt es Schlupflöcher im Geldwäschegesetz. Dazu gehört insbesondere, dass Anwälte keiner besonderen Sorgfaltspflicht für Geldwäscherei unterliegen, wie Piett im Interview mit SRF erklärte: «Das Problem ist, dass die Oligarchen Geld in der Schweiz hatten und wir es nicht finden können, weil sie es sind Hinter den sogenannten Firmen für Mailboxen und Offshore-Accounts bleiben – Orte verborgen. Das bedeutet, dass nur bestimmte Fachanwälte wirklich wissen, wer die wirklichen Eigentümer sind und nicht verpflichtet sind, der Bundesregierung Auskunft zu erteilen. »
Schwarze Johannisbeere überrascht und empört
Pieth braucht jetzt Taten. Es war ein Fehler, das Rechtsanwalts- und Geldwäschereigesetz nicht zu revidieren – die entsprechende Revision wurde 2021 diskutiert, dann aber abgelehnt. Er schlug vor, dass die US-Behörden direkt gegen Schweizer Anwälte vorgehen, die die US-Sanktionen gegen ihre russischen Mandanten verletzen.
Die offizielle Schweiz ist überrascht und empört über die Vorwürfe der Helsinki-Kommission: Aussenminister Ignacio Cassis, 61, hat Vorwürfe gegen US-Aussenminister Anthony Blinken, 60, vehement zurückgewiesen, sagte Bundesratssprecher Andre Simonazzi.
Die US-Vorwürfe gegen die Schweiz sorgen auch in der Politik für Aufregung. SP-Co-Vorsitzende Matea Meyer, 34, schrieb auf Twitter: «Was braucht es noch, damit die Verantwortlichen in der Schweiz endlich aufhören mit der Haltung «Während das Geld sich dreht, die Leute schauen weg»?»
Folgen ungewiss
Allerdings stellte FDP-Nationalrat Hans-Peter Portman (59), stellvertretender Vorsitzender des Nationalratsausschusses Aussenpolitik, im Tages-Anzeiger die Legitimität des Helsinki-Komitees in Frage. Ihre Aktivitäten werden keine internationalen Folgen haben. Vielmehr vermutet er, dass die Kommission mit Kritik am Schweizer Finanzplatz US-Geschäftsinteressen durchsetzen will. Portman bittet um Gelassenheit.
Und wirklich: Laut Medienberichten verfolgten am Donnerstag rund 250 Menschen das Briefing. Es wurde noch nicht von den amerikanischen Medien aufgegriffen. Ob die Schweiz die Konsequenzen tragen muss, bleibt abzuwarten. (SDA / sfa)
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