Regierungen in ganz Europa suchen nach Möglichkeiten, die Verbraucher von den hohen Energiepreisen zu entlasten. Und sie suchen nach Möglichkeiten, diese Hilfe zu finanzieren. Eine Idee setzt sich immer mehr durch: Energieunternehmen, die höhere Preise ausnutzen, sollen extra besteuert werden.
Christoph Hein
Wirtschaftskorrespondent für Südasien / Pazifik mit Sitz in Singapur.
Michael Seiser
Wirtschaftskorrespondentin für Österreich und Ungarn mit Sitz in Wien.
Jüngstes Beispiel ist die griechische Regierung. Sie will die Mehrgewinne der Energieerzeuger mit 90 Prozent besteuern. Das teilte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Donnerstag mit. Er bezeichnete die Steuer als „Solidaritätssteuer zum Wohle der Gesellschaft“. Erste Details gaben die zuständigen Ministerien am Freitag bekannt.
Demnach sollen alle griechischen Staatsbürger mit einem Jahreseinkommen von bis zu 45.000 Euro entlastet werden. Ihnen werden bis zu 60 Prozent der Energiemehrkosten erstattet, die Sie zwischen Dezember 2021 und Mai 2022 zahlen mussten. Die Entlastung kann maximal 600 Euro pro Person oder Haushalt betragen. Im Mai und Juni müssen Haushalte ab einem monatlichen Stromverbrauch von 300 Kilowattstunden von zusätzlichen 50 Prozent der Energiekosten befreit werden. Anders als in Deutschland liegt der Fokus in Griechenland mehr auf den Stromkosten und weniger auf der Heizung.
Zur Finanzierung gibt es noch nicht so viele Details. Die Definition von „zusätzlichen Gewinnen“ aus Preiserhöhungen ist schwierig. Auf Anfrage kontaktierte das griechische Finanzministerium die griechische Energieregulierungsbehörde RAE. Sie entwickeln eine Berechnungsmethode. Die Behörden müssten nun für die Regierung “die Kastanien aus dem Feuer nehmen”, schrieb ein Kommentator in der griechischen Presse.
Mögliche Verfassungsbeschwerden
Eine ähnliche Debatte findet in Italien statt. Dort ignorierte Ministerpräsident Mario Draghi die Befürchtungen der Finanz- und Wirtschaftsministerien und kündigte eine zweistufige Sondersteuer auf die Mehreinnahmen von Energiekonzernen an: zunächst 10 Prozent und nun eine Erhöhung auf 25 Prozent, was dem Staat 6 Milliarden Euro bringen soll . Die Steuer wird auf die Mehreinnahmen erhoben, die die Unternehmen zwischen Oktober 2021 und März 2022 gegenüber dem gleichen Zeitraum 2020/2021 erwirtschaftet haben.
Ob Unternehmen dies akzeptieren, ist fraglich. Auch Verfassungsbeschwerden sind nicht ausgeschlossen. Denn Zusatzeinnahmen lassen sich nicht nur durch Preiserhöhungen erzielen, sondern auch durch legitime Marktanteilsgewinne durch bessere Wettbewerbsfähigkeit. Kritisiert wird auch, dass die Kostenentwicklung, etwa für Personal, nicht berücksichtigt wird. Doch Draghi agiert politisch und geht mit der Steuererhöhung an die Öffentlichkeit, wogegen es keinen Widerstand seitens der Parteien gibt. Die Details werden von der Wirtschafts- und Finanzgesellschaft noch abgeklärt.
Auch in Österreich steht das Thema auf der politischen Agenda. Äußerungen von Bundeskanzler Karl Nechamer (ÖVP) sorgen für Unruhe in der Branche. Am Donnerstag hatte er laut über die Gewinne des Unternehmens aus der Krise nachgedacht. Dadurch verloren die beiden börsennotierten Stromversorger Verbund und EVN an einem Tag mehr als 5,4 Mrd. € an Marktwert. Da vier Fünftel der Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand sind, ist der Wert der Staatsanteile entsprechend gesunken.
Höhere Steuern auf die Extraprofite des Krieges
Laut österreichischen Experten wäre eine generelle Sondersteuer zulässig. Allerdings kritisiert die Wirtschaft die Pläne der Regierung. Der Präsident des Aktienforums, Vertreter österreichischer börsennotierter Unternehmen und CEO des Stahlverarbeitungskonzerns Voestalpine, Robert Othello, bezeichnete Nehamers Äußerungen als überraschend und schockierend zugleich. Dies werde dem österreichischen Kapitalmarkt schaden, sagte Ottel. Auch der Industriellenverband äußerte sich besorgt. Solche Eingriffe würden den Standort schädigen und den Investitionsspielraum für den Ausbau erneuerbarer Energien schmälern.
Bulletin der FAZ Ukraine
Täglich um 12.00 Uhr
ANMELDUNG
Vor allem in Deutschland drängen die Grünen auf eine stärkere Besteuerung der Kriegsmehreinnahmen. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Donnerstag auf einer Konferenz von Familienunternehmern, er sei verärgert über seinen Gerechtigkeitssinn, als etwa Ölkonzerne die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine ausnutzten. Allerdings lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine solche Steuer ab. Er weist auf die Abgrenzungsprobleme hin. Kürzlich war auch der Impfstoffhersteller Biontech der Gewinner der Krise, ohne Forderungen an den Staat, die Gewinne der Krone abzuschöpfen. Auch Ökonomen von Instituten wie Ifo und ZEW halten die Idee für wenig durchdacht. Aber Habek gibt nicht auf, er will eine rechtssichere Lösung finden.
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