Wer das Eckbüro des Rektors des Potsdamer Kollegs Abraham Geiger, Rabbiner Walter Homolka, betritt, sieht den Erfolg des Mannes an der Wand: Viele Orden aus Luxemburg, Frankreich und Deutschland sind in Glasfenstern ausgestellt. An der Wand hängen zwei große Fotografien des Potsdamer Theologen beim Händeschütteln mit den Päpsten: Benedikt XVI. sowie Franz. Und auf dem Schreibtisch ist die Nationalflagge von Ruanda. Denn Homolka ist auch Honorarkonsul des afrikanischen Staates.
Der Potsdamer Rabbiner baute ein weites Netzwerk auf: Ohne ihn gäbe es keine jüdische Theologie an der Universität. Und wer sich in Deutschland für liberale jüdische Theologie interessiert, kommt daran nicht vorbei: Homolka ist nicht nur der berühmteste deutsche Rabbiner, er ist auch Vorstandsvorsitzender der Union Fortschrittlicher Juden in Deutschland, Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk und dort sind viele weitere Ehrenämter.
Am Freitag scheint die Erfolgsserie des Potsdamer Rabbiners jedoch unterbrochen worden zu sein: Er tritt derzeit zurück. Der Grund: Die Tageszeitung „Die Welt“ veröffentlichte schwere Vorwürfe gegen Homolka und Geiger College.
Der Ehemann des Rabbiners, der selbst als Lehrer an der Hochschule tätig war, soll 2019 ein sexuell belästigendes Video an einen Studenten geschickt haben: Er soll den erigierten Penis des Mannes zeigen. Homolka und sein Mann sollen dies zunächst bestätigt haben, wenige Tage später soll die Anwaltskanzlei jedoch versucht haben, die Berichterstattung einzustellen.
Jonathan Shores, Professor am Institut für Jüdische Studien und Religion an der Universität Potsdam, sagte auch, er sei über weitere Fälle von Fehlverhalten, einschließlich sexueller Belästigung, informiert worden. Angeblich habe es am Abraham-Geiger-College einen Untersuchungsausschuss gegeben, der letztlich nur ein Schlichtungsverfahren empfohlen habe.
Vorwurf des Amtsmissbrauchs gegen Homolka
Laut dem Welt-Bericht ist dies auch eine Folge der starken Position von Homolka: Die Zeitung wirft ihm groben Machtmissbrauch vor. Am Abraham-Geiger-College soll ein “Klima der Angst” herrschen. Homolka droht seinen Gegnern mit “Vernichtung”.
[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt’s nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]
Über sein Netzwerk kann Homolka Mittel und Stellen vergeben – und Entscheidungen über beruflichen Erfolg und Karriereende treffen. Außerdem ist seine Autobiographie auf der Website der General Rabbinical Conference falsch: Er wurde nicht am Leo Beck College ordiniert, sondern von Rabbi Walter Jacob in Pittsburgh.
Zentraler Jüdischer Rat zur Untersuchung durch unabhängige Sachverständige
Der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerte am Freitag sein Entsetzen. „Mit Bestürzung haben wir erfahren, dass es laut einer Welt-Studie mehrere Fälle von sexueller Belästigung am Abraham-Geiger-Kolleg gegeben hat“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. “Solche Nachrichten über ein rabbinisches Ausbildungszentrum machen mir Angst.”
Wichtig ist, dass die ganze Situation so schnell und umfassend wie möglich geklärt wird. „Das können nur Experten leisten, die vom Abraham-Geiger-College unabhängig sind.
[Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über Berlins wichtigste Nachrichten und größte Aufreger. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]
Deutlich wurde auch die erste jüdische Kanzlei Deutschlands, Avital Gerstetter. „Die Enthüllungen über Rabbiner Walter Homolka, seinen Ehemann und das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam sind schockierend und peinlich“, wurde Gersteter am Freitag vom Tagesspiegel zitiert. „Das jetzt aufgedeckte Verhalten ist ein schwerer Schlag für das liberale Judentum in Deutschland.
Kantor Avitall Gerstetter Foto: picture alliance / dpa / epd-Pool
Es ist dringend notwendig, alle Vorwürfe vollständig aufzuklären und die Verletzungen der Betroffenen zu heilen. „Der offensichtliche Machtmissbrauch muss ein Ende haben“, sagte Gersteter. „Nicht nur in Potsdam ist ein struktureller und personeller Neuanfang dringend notwendig.“
Der Forschungsminister nimmt die Vorwürfe sehr ernst
Mit Sorge blickt man in der brandenburgischen Hauptstadt auch auf das bisherige Vorzeigeprojekt, das Abraham-Geiger-Kolleg, das Landespolitiker in der Vergangenheit oft und gerne geschmückt haben.
Ein Sprecher von Wissenschaftsminister Mania Schule (SPD) sagte am Freitag, der Minister habe die Vorwürfe sehr ernst genommen. Schule regt an, die Vorwürfe umfassend und unabhängig von der Universität Potsdam aufzuklären.
Brandenburgische Wissenschaftsministerin Mania Schule (SPD) Foto: Ottmar Winter / PNN
Die Universität scheint jedoch schon länger von den Vorwürfen gewusst zu haben. Universitätspräsident Oliver Gunther hat laut einer Mitteilung der Universität vor wenigen Wochen eine sechswöchige Untersuchungskommission eingesetzt. Der Bericht soll bis August 2022 vorliegen. Mit ihrem Abschlussbericht an den Präsidenten wird die Kommission konkrete Empfehlungen und Vorschläge für das weitere Vorgehen vorlegen.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Homolka selbst äußerte sich besorgt in einer Erklärung von College-Kanzler Abraham Geiger Ann Brenker. „Angesichts der heute in der Presse erhobenen Vorwürfe möchte ich meine persönliche Verlegenheit zum Ausdruck bringen“, sagte Homolka. Es tut weh, so etwas zu lesen.
Sein Engagement habe auch Gegner, sagte Homolka
Er selbst hat sein ganzes Leben in den Dienst des liberalen Judentums gestellt und versucht, „Möglichkeiten zu fördern, sich kreativ und angstfrei mit der jüdischen Tradition auseinanderzusetzen und auf vielfältige Weise zum Leben der jüdischen Gemeinde beizutragen“. was du bewegst.
„Ich versuche bei meiner Arbeit immer das Richtige zu tun und bin davon überzeugt, dass ich hier das Richtige getan habe“, sagte Homolka. Ich habe jedoch keinen Einfluss auf das Verhalten meiner Liebsten und möchte es auch nicht haben.
Er ist persönlich enttäuscht, wenn dies sein Engagement und seine Arbeit diskreditiert. „Ich habe mich entschieden, meine Aufgaben in der Jüdischen Gemeinde und an der Universität bis zur Klärung des Sachverhalts nicht mehr aktiv wahrzunehmen.“
Add Comment