Gut zwei Wochen ist es her, dass Musk ankündigte, Twitter komplett kaufen zu wollen. Vor einer Woche hat der Aufsichtsrat von Twitter einem Übernahmeangebot von Tesla-CEO Musk zugestimmt – doch was genau Musk mit ihm machen will und wie Twitter in Zukunft aussehen wird, darüber wird noch intensiv spekuliert.
• Der Vorstand von Twitter stimmte dem Kaufangebot von Musk letzten Montag zu • Die Zukunft von Twitter ist unklar.
Internationale Kapitalmärkte mit mysteriösen Tweets zu verwirren, scheint seit einigen Jahren eine der Lieblingsbeschäftigungen von Elon Musk zu sein. Ein paar Briefe des reichsten Mannes der Welt reichen aus, um gewaltige Kursbewegungen zu provozieren – sei es bei Bitcoin, der Krypto-Satire Dogecoin oder seinem Autokonzern Tesla. Anfang April machte Musk einen besonders spektakulären Post, als er auf Twitter erstmals den Kauf von neun Prozent der Anteile an dem Medienkonzern ankündigte. Nur wenige Tage später, am 14. April, gab er seine Absicht bekannt, Twitter vollständig zu kaufen.
Ich habe ein Angebot gemacht https://t.co/VvreuPMeLu
– Elon Musk (@elonmusk) 14. April 2022
Nun scheint sich diese überraschende Botschaft zu bewahrheiten.
Twitter-Board: Nach anfänglicher Absage wurde das Kaufangebot wohl angenommen
Zunächst lehnte der Twitter-Vorstand das Angebot von Musk ab, Twitter für 44 Milliarden US-Dollar (54,20 US-Dollar pro Aktie) zu kaufen. Dieser Kaufpreis lag rund 38 Prozent über dem Schlusskurs vom 1. April, aber deutlich unter dem bisherigen Rekordhoch, das die Twitter-Aktie am 23. Juli 2021 mit 73,34 US-Dollar verzeichnete. Musk bezeichnete seinen Vorschlag als „das beste und letzte Angebot“. Zunächst stieß das Angebot jedoch auf wenig Zustimmung: Twitter drohte teilweise sogar mit einer „Giftpille“, dh. Verbot für den feindlichen Käufer, Anteile an diesem Unternehmen zu kaufen – nur andere Investoren könnten die Wertpapiere zu einem reduzierten Preis handeln. Musk reagierte sofort mit Anspielungen auf ein „Tender“, was im Investment-Jargon Investoren meint, die Aktien direkt an einen feindlichen Bieter verkaufen – unter Umgehung des Aufsichtsrats.
Am vergangenen Montag gab es ein sehr bemerkenswertes Gesicht: Nach zähen Verhandlungen stimmte der Twitter-Vorstand Musks Kaufangebot schließlich zu. Musk wird laut CNBC 21 Milliarden US-Dollar direkt aus seinem Barvermögen einbringen und etwa 25,5 Milliarden US-Dollar durch Kredite von Großbanken und eine Hypothek auf seine Tesla-Anteile finanzieren. Twitter betonte auch, dass “es keine finanziellen Bedingungen für die Abwicklung der Transaktion gibt”. Rein formal gesehen ist Musks Weg zum Alleineigentümer von Twitter klar – die Frage ist nur, was der 50-Jährige mit Twitter vorhat.
Musks Absichten: finanzieller Wert, mehr Meinungsfreiheit oder Informationsmonopol?
Mehrere Themen sind derzeit Gegenstand von mehr Spekulationen in den Medien als die Motive von Elon Musk für den Twitter-Kauf. Musk selbst hat bislang wenig von seiner Motivation preisgegeben, erwähnt aber oft die „bessere Meinungsfreiheit“, die er Twitter durchsetzen wolle. Mitte April erklärte er auf einer Konferenz, Twitter solle zu einer “inklusiven Arena für Meinungsfreiheit” werden. Wie er am Dienstag twitterte, wollte er Kritik auf Twitter zulassen: “Ich hoffe, dass selbst meine schärfsten Kritiker auf Twitter bleiben, weil es Redefreiheit erfordert.”
Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben, denn das bedeutet Meinungsfreiheit
– Elon Musk (@elonmusk) 25. April 2022
Die Meinungsfreiheit in einem Privatunternehmen ist jedoch nicht unbedingt vergleichbar mit dem Grundrecht der Menschen auf freie Meinungsäußerung, wie es in der US-Verfassung verankert ist.
Andere vermuten, dass Musk in Twitter eine gute Investition sieht: Er nutzt selbst gerne Medien, und Twitter hat zuletzt ein gutes Wachstum vorzuweisen. Vielleicht hält er Twitter für unterschätzt und hofft auf einen Aufstieg. Doch angesichts dieser Argumentation stellt sich die Frage, ob Musk, der wohl reichste Mann der Welt, einen solch unkonventionellen und unsicheren Schritt gehen würde, nur um seinen Reichtum weiter zu mehren. Es gibt sicher weniger umstrittene und einfachere Wege – zumal Twitter deutlich weniger profitabel ist als seine Konkurrenten Facebook oder TikTok.
Einige Beobachter befürchten hingegen, dass Musk durch die Übernahme langfristig ein Informationsmonopol schaffen will. Wird er doch alleiniger Eigentümer von Twitter, kann er entscheiden, wer wann was twittern darf – und wer nicht. Viele Experten warnen davor, dass die Meinungsfreiheit zumindest über diesen Kanal erheblich eingeschränkt werden kann.
Mindestens ebenso interessant an Musks Motivation, Twitter zu kaufen, sind die Änderungen, die er an der Plattform vornehmen wird.
Wer wird Twitter betreiben?
Besonders innovativ wird sein, wer als künftiger CEO fungieren wird. Erst im November 2021 löste Parag Agraval Twitter-Gründer Jack Dorsey als CEO ab. Agraval war skeptisch gegenüber Musks Plan, dem Vorstand von Twitter beizutreten. Der Vorstandsvorsitzende warnte kürzlich vor “zukünftigen Ablenkungen”. In einem aktuellen Bericht betont Agrarwal: „Twitter hat einen Zweck und eine Relevanz, die die ganze Welt betrifft. Wir sind zutiefst stolz auf unser Team und beflügelt von der Arbeit, die nie wichtiger war als jetzt.“ Diese Aussagen klingen verdächtig nach einem Abschied. Tatsächlich ist eine Zusammenarbeit zwischen Agraval und Musk höchst unwahrscheinlich, da Musk nach einem erfolgreichen Twitter-Kauf wahrscheinlich einen neuen CEO für sein neues Unternehmen ernennen wird.
Es sollte auch eine Rückenlehne auf dem Brett vorhanden sein. Salesforce-Co-CEO Brett Taylor ist derzeit Vorstandsvorsitzender, könnte diese Position jedoch in naher Zukunft verlieren. Taylor war der Hauptinitiator der „Giftpille“, mit der die „feindliche Übernahme“ des Unternehmens durch Musk verhindert werden sollte. Musks Liste potenzieller Kandidaten für den Aufsichtsrat von Twitter dürfte lang sein. Eine wichtige Figur dürfte hier Jack Dorsey sein, der sowohl Twitter als auch Square (heute: Block) gegründet hat. Musk und Dorsey hätten zuletzt ein gutes Verhältnis gehabt, schreibt “CNBC”.
Was ändert sich auf der Plattform Twitter?
Eine der spannendsten Fragen ist sicherlich, wie sich die Plattform Twitter durch den Kauf von Musk verändern wird. Welche Rolle wird Musk in Zukunft spielen? Bisher hat sich der Technologie-Milliardär nicht dazu geäußert. Einerseits könnte Musk wie Amazon-Gründer Jeff Bezos in seiner Washington Post eine passive Rolle einnehmen und das Management dem operativen Geschäft des Managements überlassen. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass Musk selbst Twitter maßgeblich mitgestalten wird, vermutlich sogar als CEO. Die neuesten Tweets von Musk legen einen proaktiven Ansatz nahe. Der Milliardär kündigte an: „Ich möchte Twitter besser denn je machen, indem ich das Produkt mit neuen Funktionen verbessere.“ Deshalb will er Algorithmen nach der Open-Source-Methode entwerfen, Spam eliminieren und alle Nutzer authentifizieren. Offenbar verfolgt Musk nicht weniger als das Ziel, den öffentlichen Diskurs maßgeblich zu beeinflussen, wie die Tagesschau betont.
Wird Musk Trumps Verbot aufheben?
Ein weiteres dringendes Problem ist Musks Beziehung zu verbotenen Personen, insbesondere zu Donald Trump. Der Twitter-Account des ehemaligen US-Präsidenten wurde nach dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gelöscht. Trump könnte von Musk erneut bestätigt werden, insbesondere nachdem Trumps Social-Media-Plattform The Truth Social bisher gescheitert ist. Die mit Trump verbundene SPAC Digital World Acquisition Company (DWAC) hat aufgrund der Aussicht auf ein mögliches Ende von Trumps Verbot bereits deutlich an Wert verloren. Interessanterweise lehnte Trump jedoch eine Rückkehr zu Twitter ab: „Ich war enttäuscht darüber, wie ich von Twitter behandelt wurde. Ich werde nicht zu Twitter zurückkehren.“ Wie die Zukunft von Twitter im Allgemeinen, ist es noch sehr unklar, ob sich diese Aussage bewahrheiten wird.
Bearbeitet von finanzen.at
Bildnachweis: Anthony Correia / Shutterstock.com, Joe Scarnici / WireImage / Getty Images, Jason Merritt / Getty Images für Tesla, Quka / Shutterstock.com
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