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Zurückprallen, abprallen – so lautet die Übersetzung des lateinischen Wortes „resilire“, von dem sich der Begriff Resilienz ableitet. Kurz gesagt, Resilienz ist die Fähigkeit, mit Krisen umzugehen – sie „aufprallen“ zu lassen – und sie als Chance für Entwicklung zu nutzen, indem vorhandene Ressourcen genutzt werden. So weit, ist es gut. Unternehmensberater Kristof Wabl betont, dass das, was ein wenig theoretisch klingen mag, dennoch eine wesentliche Qualität in der Wirtschaft ist: „Unternehmen müssen sich auf den Aufbau grundlegender Nachhaltigkeit konzentrieren“, ist der Experte für Wirtschaftsforensik überzeugt. In eine Glaskugel zu schauen und Krisen wie Corona vorherzusagen, ist erstens nicht möglich und zweitens nicht Teil eines gut funktionierenden Krisenmanagements. „Unternehmer müssen in der Lage sein, mit dem Unerwarteten umzugehen. Resilienz ist die Grundlage für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen.“
„Unternehmer müssen an ihrer Nachhaltigkeit arbeiten und Visionen für die Zukunft entwickeln.“ Michael Herrich, Geschäftsführer der FHWien der WKW
An neue Bedingungen anpassen
Wie Wabl ist auch Christina Schweiger, Leiterin Personal und Organisation der FHWien von der Wirtschaftskammer Wien, überzeugt: „Für Unternehmen lohnt es sich, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Denn es ist die Fähigkeit, in Krisensituationen mit Rückschlägen umzugehen, positiv zu bleiben und voranzukommen“, erklärt Schweiger. Aus diesem Grund sind individuelle Resilienz, Team-Resilienz und Organisations-Resilienz eng miteinander verflochten. Gudrun Gaedke ist zudem Lehrbeauftragte an der FHWien der WKW und beschäftigt sich seit 2008 mit Nachhaltigkeitsmanagement. Auslöser war für sie in diesem Jahr die weltweite Finanzkrise. Allerdings ist die Forderung nach Nachhaltigkeitsmanagement bei Unternehmern erst in letzter Zeit stärker geworden. „Die Pandemie hat Unternehmen – den Ungewollten – Gelegenheit gegeben, zu bestimmen, wie sie mit einer unerwarteten Krise umgehen“, sagt Gaedke. Der Krieg in der Ukraine bietet die nächste Gelegenheit.
Nachhaltigkeits-Checkliste
Laut Gaedke gibt es eine Resilienz-Checkliste, die besagt: Wie gehen wir mit Fehlern um, wie gehen wir mit Kommunikation um? Wie sehen Entscheidungswege aus? Gibt es Backups im Fehlerfall? Anhand all dieser Faktoren kann ein Unternehmen die organisatorische Nachhaltigkeit identifizieren. „Dazu gibt es sogar einen ISO-Leitfaden“, sagt Gaedke. ISO 22316 (Sicherheit und Resilienz – Organisatorische Resilienz – Prinzipien und Attribute) kann Unternehmen helfen, ihre Resilienz zu erhöhen. Lehre an der FHWien der WKW ist ohnehin nicht mehr ohne Auseinandersetzung mit sich selbst vorstellbar. „Ich denke, das Thema Selbstreflexion hat auch die Resilienz unserer Studierenden gestärkt“, sagt Schweiger. In der Studienrichtung Personal und Organisation wurden jedenfalls bereits fünf Masterarbeiten zum Thema vergeben. Petra-Stephanie Madle lehrt zudem an der FHWien der WKW und ist als Unternehmensberaterin spezialisiert auf strategisches Change Management. Sie ist überzeugt: „Der CEO sollte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern an Führungstrainings teilnehmen.“
Eine flache Hierarchie bringt mehr Resilienz
Unternehmen mit flachen Hierarchien sind in ihren Augen auch langlebiger. Bei jedem Schritt sollte der Mensch im Mittelpunkt stehen, und es sei besser, kleine Schritte zu gehen, als „alles auf den Kopf zu stellen“, ist Madle überzeugt. „Unternehmen erkennen immer mehr, dass sie durch eine Reihe von Krisensituationen an ihre Grenzen stoßen und auch in unveränderlichen Situationen flexibler werden müssen.“ Diese Flexibilität in Bezug auf unveränderliche Situationen ist es auch ein wichtiger Teil der Nachhaltigkeit für Michaela Kreitmeier, Leiterin des Herrnstein Instituts für Management und Führung bei der Wirtschaftskammer Wien: „Nachhaltigkeit ist für mich die Kunst, festgefahrene Situationen zu nehmen und das Beste daraus zu machen. Die Stärkung der Resilienz der Mitarbeiter im Unternehmen zahlt sich aus.“
Orientierung an der unternehmerischen Praxis
Dass das Thema Nachhaltigkeit in den Studiengängen der FHWien der WKW aufgegriffen wird, ist für CEO Michael Herrich kein Zufall: „Die Studien- und Weiterbildungsprogramme der FHWien der WKW zeichnen sich durch einen hohen Praxisbezug aus. Die Inhalte orientieren sich an den Bedürfnissen des Unternehmens. Genau diese Bedürfnisse werden sowohl in Praxisprojekten in den Studiengängen als auch in Forschungsprojekten adressiert.“ Eines zeige sich laut Herrich in den letzten Jahren immer mehr: „Unsere Wirtschaftswelt wird in Zukunft wohl nicht mehr so sein stabil, wie es vor Corona schien.“ Deshalb ist es für Unternehmen wichtig, an ihrer Resilienz zu arbeiten und Zukunftsvisionen zu entwickeln – frei nach dem Spruch des Psychotherapeuten Viktor Frankl: „Nur wer eine Zukunftsvision hat, wird durchhalten – auch in Zeiten der Not“.
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